Montag, 16. Oktober 2017

Die Prätorianergarde

Bereits in der römischen Republik umgaben sich die Feldherren mit einer Garde. Augustus wollte die Prätorianergarde nicht nur im Krieg, sondern ständig nutzen. Er verteilte die Truppe so, dass von neun Kohorten zu je 500 Mann nur drei ihren Dienst in Rom taten, wo sie dezentral untergebracht waren. Diese Kohorten entsprachen in ihrer Organisation denen der Legionen. Oft waren es verdiente Legionäre, die in diese Eliteeinheit befördert wurden. Und wie den Legionen, waren auch den Prätorianern einige Reiter zugeordnet.

Unter der Herrschaft des Tiberius nahm der Einfluss der Prätorianer und speziell ihres Präfekten zu. Als sich der Kaiser nach Capri zurückzog, herrschte der praefectus praetorio Seianus in Rom. Er war engster Vertrauter des misstrauischen Monarchen. Seianus setzte durch, dass die gesamte Prätorianergarde in einem Lager am Stadtrand Roms untergebracht wurde. Jener Stadtteil trägt heute noch den Namen Castro pretorio.

Aus dem Dienst für den Kaiser und der Nähe zu ihm ergibt sich die potentielle Macht jener Einheit und ihrer Befehlshaber. Diejenigen, die den Herrscher schützen sollten, konnten ihn umbringen, und sie waren auch in der Lage, Kaiser einzusetzen bzw. Einfluss auf die Thronfolge zu nehmen. Oft ging es dabei um Geld, das sogenannte Donativum, eine Prämie, die neue Herrscher ihren Gardisten zahlten. Es versteht sich, dass die Prätorianer besser bezahlt wurden und mehr Vergünstigungen als Legionäre genossen: Ihr Sold betrug immer das Eineinhalbfache der Legionäre. Unter Domitian erhielt ein Prätorianer dreimal jährlich 300 Denare; die Abfindung nach Ende ihrer Dienstzeit betrug 5.000 Denare, zusätzlich bekamen sie ein Stück Land geschenkt.

In Rom versahen die Prätorianer normalerweise unauffällig ihren Dienst. Sie trugen die Toga; die Waffen wurden verborgen getragen. Sie offen zu tragen, galt als Aufruhr. Zur Toga trugen sie, wie Offiziere und Beamte, geschlossene Schuhe. Es gehört zu den unausrottbaren Rom-Klischees, dass Wachen unter großem Lärm in Palästen aufmarschierten, in voller Rüstung, mit Panzer, Helm und in genagelten Soldatenschuhen. In Filmen erscheinen berühmte Persönlichkeiten in völlig zivilen Situationen (so bei Gastmählern in Rom) in Rüstung und gar mit Helm, als würden sie gleich in die Schlacht ziehen. Die bildlichen Darstellungen aus der damaligen Zeit belehren eines Besseren. Im Feld trugen die Prätorianer den Panzer (lorica), Helm mit Helmbusch, Schwertgehenk mit gladius, Schild und caligae, unter dem Panzer die tunica. Die Prätorianer besaßen auch eine Paradeuniform, in der sie den Kaiser bei festlichen Anlässen begleiteten.

Die Quellen nennen uns - mit einer Ausnahme - keine Zwischenfälle unter Trajan, die von den Prätorianern ausgingen. Jene Ausnahme fällt in die Anfangszeit seiner Herrschaft. Der Gardepräfekt Casperius Aelianus hatte Nerva bedroht und ihn in die peinliche Situation gebracht, die Mörder Domitians auszuliefern. Als Nerva Trajan adoptiert hatte, sandte er ihm ein Schreiben mit dem in Poesie verpackten Rachewunsch: "Meine Tränen vergilt mit deinem Geschoss den Danaäern." Abgesehen von der Bitte des alten Kaisers hatte Trajan kaum eine andere Wahl, als ein Exempel zu statuieren, wollte er nicht als schwacher Herrscher gelten. Er beorderte Aelianus mit seinen Prätorianern zu sich nach Germanien und ließ sie hinrichten.

Nachfolger des Aelianus wurde Attius Suburanus. Der Kaiser überreichte ihm das Schwert, Symbol seines Amtes, mit den Worten: "Nimm dieses Schwert und führe es für mich, wenn ich gut herrsche - wenn nicht, wende es gegen mich." Jene Worte, die sowohl Plinius als auch die spätantiken Quellen unbedingt der Nachwelt mitteilen wollten, wirken auf mich etwas floskelhaft. Zumindest den letzten Teil wird weder Trajan noch sein Gardepräfekt in jenem Moment als ernstzunehmende Option aufgefasst haben. Suburanus war ein enger Vertrauter von Julius Ursus, langjähriger Gardepräfekt Domitians. Im kritischen Jahr 97 war Suburanus Finanzprokurator der germanischen Provinzen und verantwortlich für die Soldzahlungen an die Legionäre. Trajan stand damals als Statthalter in Germania superior. Julius Ursus muss einer der Männer gewesen sein, die sich in Rom für Trajan als Nachfolger Nervas einsetzten. Die Beziehungen zu Ursus und anderen einflussreichen Senatoren gehen wahrscheinlich schon auf den Vater des späteren Kaisers zurück.

Normalerweise gab es zwei Prätorianerpräfekten. Das Amt war die Krönung der ritterlichen Laufbahn. Oft wurden die Gardepräfekten nach ihrer Dienstzeit in den Senat erhoben. Nicht alle sind bekannt. Plinius der Jüngere berichtet von einem Prätorianerpräfekten, der ungenannt bleibt: Jener Mann wollte sich ins Privatleben zurückziehen, und obwohl es ihm schwerfiel, gab Trajan nach. Der Präfekt muss ein enger Freund gewesen sein. Plinius schildert die Abschiedsszene: "Wirklich, du hast ihn geleitet und ließest es dir nicht nehmen, ihm am Hafen zum Abschied deine Umarmung, deinen Kuss zu gewähren. So stand nun der Caesar, von erhöhtem Ort dem Freund nachschauend, stand da und erbat für den Scheidenden glückliche Meerfahrt und rasche Rückkehr - doch dies nur für den Fall, dass er selbst zurückkehren wolle; und er konnte nicht anders, er musste dem Entschwindenden unter Tränen wieder und wieder seine Wünsche nachsenden. (Plinius, Panegyrikus, 86,3-4, nach Werner Kühn)

Die Prätorianer unter ihrem Präfekten Claudius Livianus begleiteten den Kaiser in die Dakerkriege. Livianus ist vermutlich auf der Trajanssäule im Umfeld des Kaisers abgebildet. Er und Licinius Sura verhandelten mit den Dakern um Frieden, aber es kam zu keiner Einigung. Livianus war auch ein Freund Hadrians und eventuell noch im Partherkrieg im Stab Trajans, wenn auch nicht mehr als praefectus praetorio. Dieses Amt hatte zu jener Zeit Acilius Attianus neben Sulpicius Similis inne. Attianus war ein enger Freund Trajans und Hadrians, stammte vermutlich aus der Baetica und war zusammen mit Trajan Hadrians Vormund gewesen. In den letzten Tagen des "Optimus princeps" war er in dessen Nähe und sorgte dafür, dass die Herrschaft planmäßig auf Hadrian überging.

Literatur:

Hans Dieter Stöver: "Die Prätorianer; Kaisermacher - Kaisermörder", Langen Müller, München 1984, ISBN 3-7844-2519-4

Annette Nünnerich-Asmus: "Traian", Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, darin: Werner Eck: Traian - der Weg zum Kaisertum, ISBN 3-8053-2780-3

Yann Le Bohec: "Die römische Armee", Franz Steiner Verlag Stuttgart, 1993, ISBN 3-515-06300-5

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